Hessisches Konzept zur (Mund)Gesundheitsförderung für Kinder bis 6 Jahre

Das Konzept 5 Sterne für gesunde Zähne richtet sich an Eltern und pädagogische Fachkräfte als lehrende und ausführende Bezugspersonen sowie alle an der Mundgesundheitsförderung tätigen Fachkräfte. Das Konzept steht im Einklang mit den Zielen des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans (BEP). Es verbindet die Lebenswelten der Kinder - zu Hause und institutionelle Betreuung - zu einem Lern- und Bildungsort.

Zum wirklichen Verständnis der einzelnen Sterne sowie zur notwendigen Begründung ihrer Wirksamkeit reichen die reduzierten Basisinformationen jedoch nicht aus. Deshalb sollen im nachfolgenden Erläuterungstext zu jedem Stern die Aussagen ergänzt werden, die als essentielle Zusatzinformationen einzustufen sind.

Dem vorausgehend ist festzustellen, dass die Wirksamkeit des Konzepts - neben den Maßnahmen der effektiven Mundpflege und der Ernährungslenkung mit reduziertem Zuckerkonsum in Häufigkeit und Menge - in entscheidendem Maße auf den wesentlichen Faktoren Speichel und Fluorid basiert.

Speichel ist unser wichtigstes körpereigenes Schutzsystem im Mund. Er spült und schützt die Zähne. Er kann die Zähne remineralisieren, da im Speichel die Mineralien in gelöster Form vorliegen. Der Speichel ist der flüssige Zahn, der Zahn der feste Speichel. Sind die Zähne frei von Zahnbelag, gibt der Speichel den Zähnen ständig Mineralien (=Remineralisation) zurück. Abhängig von Menge und Häufigkeit des Zuckerkonsums bildet sich im Laufe eines Tages reifer Zahnbelag (=Plaque), der nach einer Latenzzeit von etwa 24 Stunden den Zähnen Mineralien entzieht (= Demineralisation). Damit die Zähne gesund bleiben, muss hier ein Gleichgewicht zwischen De- zu Remineralisation herrschen. Die aus dem Verhältnis von De- zu Remineralisation abgeleitete Gleichgewichtsformel für die Mundgesundheit lautet:

16 Stunden Remineralisation in zwei Blöcken können 8 Stunden Demineralisation ausgleichen.

Ein Kindergartenkind gewinnt rund 12 Stunden aus der Zeit nach dem Abendessen und der Nachtruhe, wenn die Eltern direkt nach dem Abendessen alle Zähne ihres Kindes rundherum sauber putzen und das Kind danach nichts mehr isst und ausschließlich Wasser/Mineralwasser/ungesüßten Tee trinkt. Der Zuckerfreie Vormittag ergänzt mit etwa 4 Stunden den großen Block Remineralisationszeit zu den notwendigen 16 Stunden (12 Stunden + 4 Stunden = 16 Stunden). Bei Kindern unter zwei Jahren kann der zweite Block von 4 Stunden bei Bedarf zeitlich verschoben, z. B. zusammen mit dem Mittagsschlaf erreicht werden.

Fluoride fördern die Remineralisation der Zähne durch den Speichel und vermindern die Demineralisation der Zähne unter vorhandener Plaque. Ohne die lokale Anwendung von Fluoriden durch die Verwendung von z. B. Zahnpasta würden die Zähne viel mehr Zeit zur Remineralisation  benötigen. Zwei lokale Fluorid-Impulse am Tag durch die Verwendung von Zahnpasta sind der Goldstandard der Prophylaxe. Details zur Anwendung von Fluoriden sind im Infoblatt 040 „Die Fluoridaufklärung in der Gruppenprophylaxe“ der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) formuliert.

Zähneputzen zuhause direkt nach dem ersten Frühstück

Das Zähneputzen direkt nach dem ersten meist süßen Frühstück zuhause schafft die Voraussetzung für die Remineralisation der Zähne durch den Speichel während des Zuckerfreien Vormittags (Speisereste raus = Start in den Vierstundenblock). Kinder unter 3 Jahren kauen in der Regel nur auf ihren Zahnbürsten, so dass Eltern das Zähneputzen nach dem ersten Frühstück übernehmen müssen. Sobald das Kind die Speisereste von seinen Kauflächen oben und unten vollständig entfernen kann, darf es das morgendliche Zähneputzen selbstständig ausführen.

Unabhängig von den verzehrten Lebensmitteln werden die Zähne stets direkt nach dem Frühstück geputzt, eine Wartezeit ist nicht sinnvoll. Das in der Kinderzahnpasta enthaltene Fluorid ist dabei der beste Schutz gegen Karies.

Das erste Frühstück zuhause ist für Kinder besonders wichtig, weil der Körper in der Nacht Energie und Nährstoffe verbraucht. Für Morgenmuffel reicht auch ein Getränk. Kinder, die daran gewöhnt sind, zuhause zu frühstücken, werden voraussichtlich auch als Schulkinder frühstücken wollen (= Eigenverantwortung und Selbstständigkeit fördern).

Zuckerfreier Vormittag und Zähneputzen üben (KAIplus Systematik)

Der Zuckerfreie Vormittag beginnt nach dem ersten Frühstück zuhause und endet mit dem Mittagessen. In dieser Zeit werden ausschließlich Lebensmittel gegessen, die kauaktiv, nicht klebrig und ohne freie Zucker sind. Unter freien Zuckern werden alle Zucker, die Lebensmitteln zugesetzt werden, wie z. B. Fruchtzucker, Traubenzucker und Haushaltszucker verstanden, sowie die von Natur aus in Honig, Sirup, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten vorkommenden Zucker.

Vollwertige Lebensmittel wie rohes Gemüse, frisches Obst und Vollkornprodukte des zweiten Frühstücks in der Kita sind gut für den ganzen Körper, denn sie enthalten viele gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe. Sie sind auch gut für die Zähne, denn durch das kräftige Kauen entsteht mehr und besserer Speichel – im Vergleich zum Ruhespeichel. Dieser Speichel hat das Potential, die in den Lebensmitteln des Zuckerfreien Vormittags natürlich vorhandenen Zucker auszugleichen. Der Zuckerfreie Vormittag liefert somit den zweiten Block Remineralisationszeit für die Zähne. Fällt dieser zweite Block aus, erhöht sich das Kariesrisiko für alle Kinder.

Eine große Auswahl an Lebensmitteln und Getränken für den Zuckerfreien Vormittag sind im Faltblatt „Mein Frühstück im Kindergarten“ (LAGH) zusammengestellt. Das Konzept zur Umsetzung des Zuckerfreien Vormittags durch Verhältnisprävention in der Kita ist im Infoblatt 055 (LAGH) „Das schmeckt allen Kindern“, TPS 3I2013 dargestellt.

 

Wasser trinken

Kinder sollen ausschließlich Wasser, Mineralwasser und ungesüßten Tee trinken. Auch in der Kita sollen diese Durstlöscher den Kindern den ganzen Tag zur Verfügung stehen (DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder). So werden Zähne vor häufigen Zuckerimpulsen bewahrt und eine ausreichende, kalorienfreie Flüssigkeitszufuhr gewährleistet.

Im Gegensatz dazu erhöhen Getränke wie Softdrinks, Nektare, aber auch Säfte und Schorlen das Risiko für Karies. Darüber hinaus begünstigen zuckerhaltige Getränke eine überhöhte Energiezufuhr. Damit steigt das Risiko für Übergewicht und folglich auch das Risiko für Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

 

Zähneputzen üben

Die tägliche Zahnputzübung mit der KAIplus Systematik in der Kita gibt allen Kindern – unabhängig von ihrem Elternhaus – die Chance, eine Zahnputzsystematik zu erlernen und sensibilisiert sie nachhaltig für eine ritualisierte Mundpflege. Das Zahnputz-Zauberlied hilft den Kindern die KAIplus Systematik zu verinnerlichen und zu automatisieren. Es erleichtert auf diese Weise auch den Erzieher*innen den täglichen Ablauf der Zahnputzübung im Kindergartenalltag. Wenn im Elternhaus keine Mundpflege erfolgt, dient der Fluoridimpuls über die Kinderzahnpasta der Kompensation elterlichen Fehlverhaltens.

Süßes am Nachmittag, bewusst und maßvoll

Der 3. Stern ermöglicht den stressfreien Genuss von Süßem. Zuckerimpulse sind beim ersten Frühstück zuhause, als Nachtisch nach dem Mittagessen und am Nachmittag möglich. Wobei maßvoll in Menge und Häufigkeit bedeutet: Lieber zum Beispiel eine Portion Gummibärchen auf einmal genießen, als kleine Portionen über den ganzen Nachmittag verteilt naschen. Dabei gilt für die Menge das Handmaß: Eine Portion für ein Kind entspricht der Menge, die in seine Kinderhand hineinpasst.

Eltern putzen nach dem Abendessen Kinderzähne sauber

Eltern putzen nach dem Abendessen alle Kinderzähne von allen Seiten sauber, bis ihre Kinder flüssig schreiben können. Sind die Zähne rundherum sauber, essen oder trinken die Kinder nichts mehr außer Wasser/Mineralwasser. Das elterliche Zähneputzen der Kinderzähne am Abend bereitet die 12-stündige Remineralisationszeit der Zähne durch den Speichel in der Nacht vor. Tipps zur Mundpflege sind in den Faltblättern der LAGH „Eltern putzen Kinderzähne sauber“ und „Elterntipps für die Mundpflege im ersten Lebensjahr“ zu finden.

Zweimal jährlich zur zahnärztlichen Vorsorge - fürs Baby ab der Schwangerschaft

Die zahnärztliche Betreuung des Kindes beginnt bereits in der Schwangerschaft. Eltern erfahren, dass die Pflege ihres eigenen Mundes die beste Vorsorge für den gesunden Kindermund ist. Nach der Geburt empfiehlt sich der erste Zahnarztbesuch vor dem ersten Zahn, damit Eltern von Anfang an alles richtig machen, z. B. die Kieferkamm-Massage im noch zahnlosen Mund durchführen. Ist der erste Zahn im Mund zu sehen, können Eltern – angeleitet durch kompetentes Fachpersonal – das stressfreie Sauberputzen der Kinderzähne mit passender Zahnbürste und Kinderzahnpasta erlernen. Ab jetzt gehen Eltern mit ihrem Kind zweimal jährlich zum Zahnarzt. Das zahnärztliche Kinderuntersuchungsheft begleitet die Eltern mit vielen hilfreichen Informationen und individuellen Empfehlungen ihres Zahnarztes.